Geschichte, Kultur und Wissenschaft auf dem Muttkrat-Brunnen des Künstlers
Bonifatius Stirnberg.
Das Psqualini-Zeitsprung-Festival soll diese Jülicher Besonderheiten in den
Mittelpunkt stellen.
Auszug aus der Jülicher
Zeitung vom 11. September
Eine Projektgruppe mit unterschiedlichsten Akteuren aus
der Stadt Jülich hat ein neues Konzept für das Event der Herzogstadt
entwickelt. 150.000 Euro soll das ehrgeizige Programm mit vielen neuen
Angeboten kosten. Die Stadt geht nun auf Sponsorensuche.
Das „Pasqualini Zeitsprung Festival“ soll die
Besucherinnen und Besucher nach vorläufigen Plänen erstmals vom 26. bis
28. September 2025 mit auf eine Zeitreise durch die Jülicher Geschichte
nehmen. Namensgeber ist der Stadtplaner Alessandro Pasqualini, der in
der Renaissance die Zitadelle und die Jülicher Kernstadt entwarf. In
Anlehnung an sein großartiges Schaffen soll das Stadtfest neu erfunden,
„besser, interessanter und vielseitiger“ werden und eine größere
Strahlkraft erhalten.
Nach den Visionen der Arbeitsgruppe wird auf dem
Marktplatz die Hauptbühne aufgebaut, um die sich eine „Schlemmermeile“
gruppiert. Bis in die Abendstunden ist an drei Tagen Unterhaltung
angesagt, mit Kinderprogramm am Nachmittag und Musik von lokalen und
überregional bekannten Bands am Abend. Zudem gibt es ein
Wissenschaftsprogramm, das Jülich mit Diskussionsrunden,
Mitmachstationen, Science-Shows und elektronischer Musik als moderne,
vielfältige Forschungsstadt präsentiert. Der Geschichtsbereich wird auf
dem Kirchplatz mit einem angepassten kulinarischen Angebot mit Stockbrot
und Met, Handwerksständen, Mittelaltergruppen, historischer Musik und
Liveacts wie Herzog Wilhelm abgebildet. Bei folgenden Festen hoffen die
Ideengeber, das Festival auf Schlossplatz und Zitadelle ausdehnen zu
können.
Maulkorb für Pasqualini in Zeiten von Corona
April
aus der Jülicher Zeitung vom 3. April 2019
Foto: Jagodzinska
„Toll machen die das...“
Mit Entkalker, Wasser und Poliertuch reinigen Alexander Franz und Patrick Bloch,
Mitarbeiter der alteingesessenen Jülicher Reinigungsfirma Tollhausen, zurzeit in
mühevoller Kleinarbeit den Muttkratbrunnen auf dem Schlossplatz.
Mit seinen stilisierten bronzenen Schlammkröten soll er den Stadtjülicher an
Ellbach und Rur versinnbildlichen.
Das Besondere daran ist, dass es sich um eine Goodwill-Aktion handelt,
wie Firmeninhaber Michael Tollhausen es ausdrückte. Will heißen, der
Brunnen wird ehrenamtlich gereinigt.
Und
zwei Wochen später - der Brunnen wie neu!
Sauber!
- ein Kommentar von Dorothée Schenk
Die Elritzen lieben
von Haus aus klare, saubere und sauerstoffreiche Gewässer. Nicht mehr ganz das
richtige Lebensumfeld war es daher für die kleinen Fische, die sich seit 2011 im
Muttkrate-Brunnen von Bonifatius
Stirnberg tummeln. Der Freundeskreis El(l)ritzen hatte den Brunnen den
Jülichern zum Geschenk gemacht und sorgt jetzt auch für eine Grundreinigung,
denn Kalk, umweltbedingter Schmutz und Hunde-Urin haben dem Brunnen in den
vergangenen acht Jahren arg zugesetzt.
Mit Bürste und Schwamm sind derzeit Mitarbeiter des Jülicher
Reinigungsunternehmens Tollhausen damit beschäftigt, dem Muttkrate-Brunnen
wieder zu seinem ansehnlichen Äußeren zu verhelfen. Ein einmaliges Arbeitsfeld,
wie Chef Michael Tollhausen lachend bestätigt: „Man hat schon mal mit
Metallflächen an den Fassaden zu tun. Aber das ist schon was ganz Besonderes.“
Besonders auch deshalb, weil kein großflächiges Arbeiten möglich ist. „An diesen
feinen Strukturen sind wir gezwungen mit einer Bürste ,klein, klein’ zu
arbeiten“, erklärt der Fachmann. „Das anspruchvollste ist die feine Oberfläche.“
Eine besondere Herausforderung sind „Kappes“ und „Knollen“, die Künstler
Stirnberg der Figur des Bauern beigegeben hat. Da hat der Straßenschmutz
reichlich Ritzen zum Festsetzen. „Das ist ein bisschen Fleißarbeit. Aber das
Schöne ist: Man sieht gleich ein Ergebnis.“
Im Winter hatte Rudolf Weitz – im Auftrag seiner El(l)ritzen-Freunde –
Kontakt zu Michael Tollhausen aufgenommen und um Unterstützung gebeten. Spontan
erklärte sich dieser zu einer “Benefiz-Aktion” bereit. Beim ersten Ortstermin
war er davon ausgegangen, dass wohl anderthalb Arbeitstage für eine
Grundreinigung ausreichen müssten – inzwischen ist er eines Besseren belehrt und
hat noch einige Tag zusätzlich angesetzt.
Derzeit zieren noch unschöne weiß-gräuliche Linien die Oberfläche. Die sind
allerdings keine Verschmutzungen, sondern Kalklöser und Reinigungsmitteln
geschuldet, die stark verschmutzte Flächen „einweichen“ müssen. Besonders
betroffen ist der Brunnenboden, auf dem sich bereits großflächig der Kalk seinen
Raum geschaffen hat. Das ist ein hartes Stück Arbeit. Dazu kommt, dass das
Abwasser nicht einfach in die Kanäle geleitet werden kann, sondern gesammelt und
dann entsorgt werden muss. „Die Stadt hat zugesagt, anschließend für frisches
Wasser im Brunnenkreislauf zu sorgen“, lässt Dr. Weitz wissen.
So schön eine Reinigung auch ist, was ist mit der erwünschten Patina,
die mit den Jahren dem Kunstwerk seine eigenen Note gegeben hat? Geht sie nicht
bei der Reinigung verloren? Doch, ein wenig schon, ist die realistische Antwort
aber, „da habe ich mir vorher von Herrn Weitz und vom Künstler das
Einverständnis geholt” sagt Michael Tollhausen sofort. Gereinigt ist der Brunnen
eine Mischung aus sauber“ aber nicht „blank geputzt“ wie frisch aufgestellt.
„Das wird ein halbes Jahr dauern, dann wird es auch wieder anders aussehen.“
aus der Jülicher Zeitung vom 19. Februar 2018
(anlässlich des 85.
Geburtstages von Bonifatius Stirnberg):
Rund 200 Großprojekte von Bonifatius Stirnberg gibt es in Deutschland und im
Ausland – sie schmücken den öffentlichen Raum. Darunter sind immer wieder
Brunnen, deren Figuren bewegliche Elemente haben und dadurch ein besonderes
Eigenleben entwickeln, zu seinem Markenzeichen geworden. Bereits 1967 hatte
Stirnberg eine Skulpturengruppe mit beweglichen Elementen entworfen, sie wurde
erst 1975 als „Puppenbrunnen“ an der Aachener Krämerstraße realisiert.
Damit begann die Erfolgsgeschichte des Bonifatius Stirnberg. 1973 hatte er sich
ein eigenes Atelier mit angeschlossener Bronzegießerei eingerichtet. Und
ruckzuck waren Städte und Gemeinden nah und fern begeistert von seiner „Kunst
zum Anfassen“.
Jeder Brunnen, jede Gruppe mit Personen oder Tieren erzählt eine Geschichte, die
stark mit der Geschichte des jeweiligen Standorts verbunden ist. In Monschau
sind es die präzisen Darstellungen des Weberhandwerks, in Alsdorf die Lore aus
dem Bergbau, in Aachen die Pferde vor dem Hauptbahnhof, in Würselen der Brunnen,
der an die Tradition der „Jungenspiele“ erinnert, in Jever die Sagen der Region,
und im Allgäu steht sogar ein „Amtsschimmelbrunnen“.
Jeder Arbeit gingen und gehen intensive Recherchen voraus. Was ist den
Auftraggebern wichtig? Was hat sich im Ort ereignet? Was werden Brunnen oder
Platzgestaltung mit den Menschen zu tun haben? Mit der Zeit ist so eine Art
„bronzenes Geschichtsbuch“ entstanden – mit vielen Gestalten und besonderen
Typen. Hier und da hat Stirnberg kleine ironische Anspielungen untergebracht,
für Gesichter gesorgt, die einem bekannt vorkommen könnten, Gänsen Hüte
aufgesetzt, und in Heinsberg Ratten sogar Narrenkappen.
Und dann gibt es da noch die Kunst des anderen Stirnberg, Werke eines Künstlers,
der auch ganz anderes gestaltet, vielfach Stücke, die er noch nie ausgestellt
hat, Stücke, die er nur für sich hergestellt hat. Wie die gelenkige Ballerina
mit einem Tütü aus Edelstahl oder zweimal sechs übereinander gestapelte
Bronze-Stühle, die aussehen, als ob sie schmelzen: „die Lebensstationen von Mann
und Frau“, beschreibt Stirnberg sie. Sogar ein Stuhl mit rundem Babybauch ist
dabei.
Bei Joseph Beuys gelernt
In seinem Atelier arbeitet Stirnberg nicht allein. „Ich habe sogar noch sechs
Schüler, die mich immer wieder überraschen“, sagt er. Ein Objekt bewegt den
Künstler zurzeit besonders: ein Brunnen für einen Kunden aus Köln. „Der Mann ist
Syrer. Sein Sohn war Kommilitone meines Sohnes, er ist mit einer Deutschen
verheiratet“, berichtet Stirnberg, der den Brunnen als Symbol für das
Zusammenwachsen von drei großen Religionen – Christentum, Judentum, Islam –
geschaffen hat: Drei gleich gestaltete Figuren tragen das jeweilige Zeichen
ihrer Religion auf der Brust – Kreuz, Stern und Halbmond. „Sie stehen auf dem
Brunnen und halten sich an den Händen“, sagt Stirnberg. In der Mitte wird ein
Olivenbaum wachsen – in einem bronzenen Behälter.
In Stirnbergs Arbeiten verbinden sich Kreativität, Kraft und Perfektion. Er
weiß, dass er sich trotzdem künstlerische Freiheiten leisten darf und muss. Das
hat er an der Kunstakademie Düsseldorf gelernt, bei Joseph Beuys, bei dem
Stirnberg nach Holzbildhauer- und Tischlerlehre studierte.
zwei "Pussy-Mützen" im Zeichen von Donald Trump (März 2017)
Im Frühjahr 2014 fand eine Ausstellung mit Skulpturen von Bonifatius Stirnberg statt, zu der
die Familie Loven in ihre "Galerie an der Zitadelle" eingeladen hatte.
Im
Mittelpunkt standen der Muttkratbrunnen und seine Figuren, und hier natürlich
vor allem die Kröten!
Die folgenden vier Fotos hat seine Tochter, die Fotografin Germaine Stirnberg,
freundlicherweise für die Veröffentlichung an dieser Stelle frei gegeben.
Herzlichen Dank!
Was/Wer ist ein Muttkrat?
(Mehrzahl: Muttkrate)
von Dr. Peter Nieveler
(aus der Festschrift "2000 Jahre Jülich 1988/9)
Muttkrat zu sein ist etwas ganz Besonderes!
Muttkrat
zu sein, das meint nicht mehr und
nicht weniger als ein Jülicher zu sein - ein
Stadtjülicher.
Der wirklich echte
Muttkrat
kann seine Vorfahren durch viele Generationen
zurückverfolgen.
Und alle wohnten sie an Ellbach und Rur, nicht allzu weit entfernt vom
Schwanenteich, jenem letzten
Mutt:
Schlammloch der alten Stadt, an dem sie
früher ihre Pferde tränkten, die
Muttkraten
der Vergangenheit, und das ihnen jetzt ein Schmuckstück
der modernen Stadt ist, den
Muttkraten
der Gegenwart.
Etwas muss das Wort
Muttkrat
denn wohl
zu tun haben mit dem Sumpf, auf dem die
Ur-Muttkraten
ihre Stadt gründeten,
damals
vor 2000 Jahren, etwas vielleicht auch
mit dem Schlamm und Schmutz, der durch die mittelalterliche Festung
floss, über Wege
und ungepflasterte Straßen,
damals vor
über 770 Jahren, als man zu reden begann
von den Jülichern
in allen Ländern Europas, als dieMuttkraten
sich ganz schön
mausig machten gegenüber
Kaiser und König und Stadtrechte gewannen. - Oder waren das etwa nur die
Herrscher derMuttkraten,
die da bekannt wurden? Saßen
die wirklichen
Muttkraten.
etwa tief in ihren lehmigen
Wohnungen, an Mutt
und Schlamm, nicht aber an Ehre gewöhnt?
Wie dem auch sei. EinMuttkrat
zu sein, das hat nichts mit Ruhm und Ehre, nichts mit
Geld und Gut, nichts mit Wissen und Können, nichts mit Geschäft und Beruf zu
tun.
Das ist lediglich eine Sache der Geburt, die
allein den Adel verleiht, ein wirklicher
Muttkrat
zu sein. Eben deshalb kann niemand
ein Muttkrat
werden. Man ist es oder ist
es nicht. Und noch etwas. Man bleibt es sein
Leben lang. Franzosen und Spanier, Römer und Germanen, Niederländer und
Österreicher, Schweden und einheimische Bauern
mögen da mitgerührt, mitgemischt und mitgeformt haben in jenem Ur- , aus
dem der Schöpfer den Jülicher Muttkrat
werden ließ.
Stolz sind sie alle darauf,Muttkrate
zu
sein; stolz sehen sie herab auf jene Armen,
die nicht das Glück
hatten, in Jülich geboren zu werden. Dass der ursprüngliche Sinn des Wortes Mutt
- wie schon vorsichtig angedeutet
- eigentlich keinen Anlass zum Stolz
gibt, dass es vielmehr an Sumpftiere - Ratten
und Kröten - erinnert, an Armut und Not, an Schmutz und Krankheit - an Tod
sogar, das alles kann den wahren Muttkraten
nicht
betreffen und sicher nicht betrüben.
Im Gegenteil! Gab es doch in jenen dunkelsten
Zeiten der Stadt, in jenem finsteren Jahr 1945 jene wirklich heldenhaften,
wahren Muttkraten, die aus der Fremde in die völlig
zerstörte Heimat zurückkehrten und sich wie jene Kraten-Kröten,
denen sie wohl den zweiten Teil ihres Namens verdanken, im heimatlichen Boden
verkrochen - nur um zu Hause zu sein, mit Mutt
an Rur und Ellbach.
Als sie es dann geschafft hatten, die
Muttkraten, als sie wieder
über der Erde leben konnten, da trugen sie die Nase
so hoch wie nie zuvor, waren glücklich und frech, wie jene Kinder und
Jugendlichen, die sie in ihrer Muttersprache auch
Krate
nennen, weil sie so schön giftig sein können, wie der Schleim, der die echten
Kraten/Kröten
vor aller Unbill der Umwelt bewahrt.
Nur Böswillige aus Stetternich, Broich, Selgersdorf und Koslar halten diesen
Stolz des mit den Traditionen seiner Stadt beladenen
Muttkraten
für reine Einbildung, für schlimmen Hochmut. Muttkrat,
das ist für die Bewohner der umliegenden Ortschaften ein Schimpfwort,
meint die Blasiertheit des Jülichers, des Städters vielleicht, und nur manchmal,
ganz selten, klingt da unterdrückt und niemals zugegeben etwas mit von leiser
Hochachtung
vor denMuttkraten.
Wenn dann der
Muttkratüber die Dörfer geht an festlichen Tagen, dann freut er sich wie der
König, der sich unter sein Volk begibt. Und wenn sie ihn
dann begrüßen - in Zelten und Sälen, an Mai- und Schützenfesten, wenn sie
ihm zuprosten und sagen: „Komm, drink ene mit, DU
Muttkrat!"
- dann geht ihm das Herz auf, weil er als
Muttkrat
doch eigentlich nur eines will: Dass alle mit ihm sein Jülich lieben...
Anmerkung:
Hein Ningelgen†
(Lazarus-Präsident 1996-2018) beantwortete die Frage so: "Wer meent er wör
enne Muttkraat, dä isset"
aus der Jülicher Zeitung vom 25. Juni 2014:
Seine Schöpfungen sind Kunst zum Anfassen
Jülich. „Als ich anfing, waren Kunstwerke meist eingezäunt“, erinnert
sich Bonifatius Stirnberg an die Anfänge seiner Karriere als Bildhauer sowie an
die Zeit als Schüler des weltberühmten Joseph Beuys. „Ich möchte aber Kontakt
mit den Menschen. Die Leute sollen meine Kunst anfassen!“
Heute blickt der 81-Jährige auf eine sehr erfüllte Schaffenszeit zurück. Seine
Bronzeskulpturen wurden im Laufe der Jahre zu Wahrzeichen von Städten und
Regionen rund um den Globus, und so schuf er bereits im Jahre 1975 den Aachener
Puppenbrunnen unweit des Doms, mit dem die Aachener Kinder, sehr zur Freude des
Schöpfers, sofort zu spielen begannen.
In Jülich ist Stirnberg mit dem Lazarus- und dem Muttkratbrunnen, die ebenso
seinem Aachener Atelier mit angeschlossener Bronzegießerei entstammen,
vertreten.
Die Gelegenheit, nicht nur Stirnbergs Werke zu berühren, sondern dem Künstler
persönlich einmal die Hand zu schütteln, hatten die zahlreichen Besucher der
Jülicher Kunstgalerie an der Zitadelle, in der am vergangenen Sonntag eine große
Ausstellung mit über 40 Werken des Altmeisters eröffnet wurde. Eigens zu diesem
Anlass war auch Professor Otto Eschweiler, ein guter Freund Bonifatius
Stirnbergs angereist, der den Bildhauer bereits vor Jahrzehnten in seiner
Funktion als Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer in Aachen
„gefördert und gefordert hatte“, wie selbiger in seiner Ansprache lächelnd zu
berichten wusste.
Georg und Marita Loven, Inhaber der Kunstgalerie, konnten zu Recht stolz sein.
In überaus angenehmer Atmosphäre hatten die vielen Jülicher Kunstfreunde
Gelegenheit, sich einmal persönlich mit Bonifatius Stirnberg auszutauschen, die
zahlreichen Jülicher Muttkrat-Skulpturen sowie Brunnen zu bestaunen und
natürlich alles anzufassen.
Frei von jeglicher Affektiertheit, mit der sonst hin und wieder
bei Kunstausstellungen und Vernissagen in Ehrfurcht vor der „hehren Kunst“
erstarrt wird, fühlte man sich in der Nähe Stirnbergs förmlich dazu eingeladen,
mit seinen Werken direkt auf Tuchfühlung zu gehen.
von René Blanche
Das Unglaubliche ist wahr geworden:
Unser Brunnen steht an seinem Platz, er ist Stadtgespräch und ständig umringt von
Schaulustigen...
aus der Jülicher Zeitung vom 8. Juli 2011:
Der Muttkrat-Brunnen
eine liebevolle Hommage an die Jülicher
Jülich. Der
Freundeskreis «Ellritzen» hat der Heimatstadt Jülich ein wertvolles Geschenk
gemacht. Auf dem Schlossplatz wurde am Donnerstagnachmittag der «Muttkrat-Brunnen»
enthüllt und in Betrieb genommen.
Das Werk des Künstlers Bonifatius Stirnberg zeigt vier
Bronze-Figuren, die mit der Jülicher Geschichte und Gegenwart eng verbunden
sind: den Architekten Alessandro Pasqualini, der im Mittelalter die Jülicher
Stadtanlage entwarf, den berühmten Landschaftsmaler Johann Wilhelm Schirmer,
den Jülicher Forscher «mit Atom» sowie einen stattlichen Landwirten. Über
allem thront die Jülicher Schutzgöttin Minerva.
Fast noch wichtiger sind aber einige Kröten zu Füßen der Prominenz: Als «Muttkrate»
(Mutt = Schlamm/Krate = Kröten) werden nämlich die in Jülich geborenen
Menschen landläufig bezeichnet. Die Amphibien auf dem Brunnen sind beweglich
– ihnen setzte der Freundeskreis aus honorigen Bürgern mit dem Brunnen ein
Denkmal.
Fotos von der Einweihungsfeier am 7. Juli 2011
Seit
Urzeiten ist „Muttkrat“ der Spitzname für Jülicherinnen und Jülicher. Es gibt
keine eindeutige Erklärung für diese Bezeichnung. Die schlüssigste
Interpretation ist die, dass „Mutt“ im Dialekt Schlamm bedeutet und „Krat“ eine
Kröte ist. Schlamm gab es zuhauf in den vielen Verteidigungsgräben im Umkreis
von Jülich und
der Zitadelle. Und wo viel Schlamm und viel Wasser ist, da gibt es auch viele
Kröten.
Vier
Figuren schmücken den Brunnen:
1. Alessandro
Pasqualini (1493 – 1559) italienischer Architekt des „neuen“ Jülich
(Stadtbrand von 1547) mit dem Grundriss einer Idealstadt und der Zitadelle.
2.Johann Wilhelm
Schirmer (1807 – 1863) Sohn Jülichs und bedeutender Landschaftsmaler der
Romantik (Düsseldorfer Malerschule).
3. EinWissenschaftler mit Kolben und Atom; Symbol für die „Neubürger“ und die
Veränderung Jülichs durch das Forschungszentrum.
4. Ein Jülicher
Bauer mit geerntetem Getreide und dem „weißen Gold“, den Zuckerrüben; Symbol für
das Selbstbewusstsein des rheinischen Bauern und die Fruchtbarkeit der Jülicher
Börde.
Über den
vier Figuren thront die römische Minerva; Göttin der Weisheit und Hüterin des
Wissens. Heute auch Emblem der Max- Planck-Gesellschaft und somit verbindendes
Element von der römischen Gründung Jülichs bis zur Jetztzeit.
Im
Wasser tummelt sich ein Schwarm Fische; es könnte sich um Elritzen handeln...
Der
Muttkratenbrunnen - aus Bronze - wurde den Bürgerinnen und Bürgern Jülichs vom Freundeskreis
"El(l)ritzen" in 2011 gestiftet.
Zur Erinnerung:
Minerva, eine antike Göttin im Wandel der Zeit
Zum 50jährigen Jubiläum des Forschungszentrums Jülich 2006 veranstaltete das
Stadtmuseum die
Ausstellung "MinervaGalerie". Sie zeigte den historischen Kontext der
Göttin von der Antike bis zur Gegenwart. Als Schutzpatronin der Wissenschaft steht
Minerva für den Forschungsstandort Jülich, als antike Figur verweist sie auf die
Geschichte der Stadt, die im Logo wie in dem Motto "Historische Festungsstadt –
Moderne Forschungsstadt" zum Ausdruck kommt.
Ins Zentrum des El(l)ritzen-Brunnen stellt Professor
Bonifacius Stirnberg die Göttin Minerva. Hinzu gesellen sich weitere vier Symbolfiguren der
Jülicher Stadtgeschichte: ein Atomforscher, Johann Wilhelm Schirmer, Alessandro Pasqualini und ein "Knollebuur". Dazwischen lädt eine Kröte - das heimliche
Jülicher Wappentier - mit den für den Künstler charakteristischen Gelenken zu
spielerischer Beschäftigung ein.
aus "JÜLiCHt" vom 2. Juli 2010:
Der Stadt Jülich wird ein neuer Brunnen
geschenkt: Der Freundeskreis El(l)ritzen lässt von Bildhauer Bonifatius
Stirnberg das Wasserspiel gestalten. Im jüngsten Planungsausschuss wurde der
Standort festgelegt: An der Ecke Köln-/Kurfürstenstraße wird der Brunnen im
kommenden Frühjahr seinen Platz finden.
Ein Modell mit viel Charme und Lokalkolorit: Im Mittelpunkt steht die Patronin
für Wirtschaft und Forschung der Stadt, Minerva, Maler Johann Wilhelm Schirmer
und Architekt Alessandro Pasqualini flankieren die Göttin. Der Bezug zur
Landwirtschaft wird in Person eines Landwirtes mit Zuckerrübe und Korngabel
hergestellt, für die Wissenschaft am Ort steht ein Atom. Und im Entwurf ist
Bewegung „drin“, denn Stirnberg ist bekannt für seine dynamischen
Figurenbrunnen, dessen prominentestes Beispiel in der Region sicher der
Puppenbrunnen in Aachen ist.
aus der Jülicher Zeitung vom 19. Juni 2010:
Minerva, Atom und bewegliche Muttkrate
Freundeskreis Ellritzen" spendiert der
Stadt Jülich einen neuen Brunnen Standort ist die Ecke
Köln-/Kurfürstenstraße. Ein Entwurf des Künstlers Bonifatius Stirnberg.
Sponsoren sollen jährliche Betriebskosten finanzieren
Jülich. Der Jülicher Freundeskreis "Ellritzen"
schenkt der Stadt Jülich einen Brunnen. Der
soll schon im Frühjahr nächsten Jahres
an der Ecke Kölnstraße/Kurfürstenstraße sprudeln. Künstler
Bonifatius Stirnberg aus Aachen stellte nun im Kulturausschuss ein Modell vor, das auf große Zustimmung
stieß.
Es ist ein
Figurenensemble, in dessen Mittelpunkt die Jülicher
Schutzgöttin Minerva steht. Zu deren
Füßen liegen eine Korngabel und eine
Zuckerrübe. Darum postiert
sind der Landschaftsmaler Johann
Wilhelm Schirmer, einBauer,
ein Wissenschaftler, zu dessen
Füßen ein Atommolekül steht. Als
Leitfigur hat der Künstler den
italienischen Festungsbauer Alessandro
Pasqualini auserkoren, „denn der
gab Jülich im 16. Jahrhundert
ein Gesicht", meinte Stirnberg.
Nicht fehlen werden „Muttkrate",
das Synonym für in Jülich Geborene. „Davon
habe ich fünf Stück vorgesehen, die
alle beweglich sind, womit Kinder
spielen können", umschrieb Bonifatius
Stirnberg den Brunnen, dessen Baukörper aus Bronzeblech gestaltet wird. Die Figuren, bis auf die zwei Meter hohe Minerva, rund 95 Zentimeter groß, sind alle aus
Bronze.
Die Kosten für
die Erstellung des Brunnens
werden vom Freundeskreis getragen, die Stadt
Jülich übernimmt die Anschlusskosten
von rund 1.700 Euro. Die Betriebskosten
belaufen sich nach 'Schätzungen auf rund 1.800
Euro im Jahr. Die sollen mittels Sponsoren gedeckt werden.
Bonifatius Stirnberg: „Ich kenne das anders. Da,
wo meine Brunnen stehen, werden
die Wasserkosten von den Stadtwerken, die Stromkosten vom zuständigen
Elektrizitätswerk getragen".
Eine Äußerung, die im Ausschuss
für Schmunzeln sorgte.
(hfs.)
aus der Jülicher Zeitung vom 27. Mai 2005:
Brunnen-Projekt befürwortet
Im Stadtrat wurde die beabsichtigte Stiftung des
Freundeskreises „El(l)ritzen" besprochen. Diese möchten der Stadt Jülich einen Brunnen
schenken. Hier ist Egbert Samans Ansprechpartner bzw. Vermittler. Nach
eingehender Prüfung diverser Standorte schlägt die Verwaltung den Bereich Ecke
Kölnstraße/Kurfürstenstraße vor. Samans berichtete, dass hier die Motivwahl und
das entsprechende Brunnenkonzept noch nicht festliegen. Ein „Dreierausschuss"
der „El(l)ritzen" werde sich damit genauer befassen. Eine Idee könnte
„Muttkrat", die Kröte, sein. Samans machte deutlich, dass - wie auch schon beim
„Glockenbaum" - natürlich die Stadt das letzte Wort über das Projekt und den
Standort habe, weil es ja um öffentliche Flächen gehe. Allerdings würden sich
die „El(l)ritzen", die schließlich
das Geld für den Brunnen aufbringen, natürlich nicht „das Motiv aus der Hand
nehmen lassen".